Dienstag, 23. Februar 2021

Aspern-Essling: Besuch auf dem Schlachtfeld bei Wien - Napoleons erste Niederlage

 

        


Aspern liegt jenseits der Donau bei Wien. Der Ort ist heute Stadtentwicklungsgebiet und Teil der Hauptstadt. Man erreicht den Ort leicht mit der U-Bahnlinie Nr. 2 vom Karlsplatz aus. An der Aspernstraße steigt der Besucher, nachdem er den Prater und die Messe hinter sich gelassen hat, aus und benötigt anschließend 15 Minuten Fußweg links von der U-Bahnstation bis zum ehemaligen „Schlachtfeld“. Zielpunkt ist der „Löwe von Aspern“. Kein Schild, kein Hinweis erinnert an der U-Bahn an den Ort dieser großen Schlacht…

Vorgeschichte

Bevor es mit der Beschreibung der Gegebenheiten vor Ort weitergeht, ein Blick in die Geschichte. 1807, nach dem Frieden von Tilsit, befand sich Napoleon im Zenit seiner Macht. Preußen geschlagen, Russland hinter seine Grenzen zurückgeworfen, das Reichsgebiet im Rheinbund ein Vasall Frankreichs. Verwandte Napoleons regierten in Europa. Darunter illustre Figuren wie Jérome Bonaparte im Königreich Westfalen. Und Österreich? Leckte seine Wunden aus den vergangenen Auseinandersetzungen und hatte die Zeit für militärische Reformen genutzt. Doch die Landwehr war nur notdürftig bewaffnet und die Staatskasse leer.

Blieben die Engländer. Hinter dem Kanal, von der Flotte geschützt, leisteten sie dem Korsen in Paris weiter hartnäckigen Widerstand. In Portugal wurde die Kontinentalsperre durch England ausgehebelt. Britische Waren landeten ungestört an und das war Napoleon ein permanenter Dorn im Auge. Spanien war der Schlüssel. Für eine Seeoperation war die französische Flotte seit Trafalgar nicht stark genug. Blieb nur der Weg über Spanien. Das war der Ausgangspunkt für den Krieg von 1809, der Napoleons Abstieg einleitete. 1807 hatte sich Frankreich Durchmarschrechte in Spanien gesichert. Die zerstrittenen Bourbonen Karl und Ferdinand, Vater und Sohn, wurden von Napoleon zur Abdankung gezwungen. An ihre Stelle trat in Madrid Joseph, der Bruder Napoleons.

Napoleon hatte die Rechnung ohne die katholische Bevölkerung Spaniens gemacht. Die erhob sich in einem grausamen Guerillakrieg und band fortan starke französische Kräfte in Spanien. Die Lage verschärfte sich, als General Arthur Wellesley (Lord Wellington), der spätere Sieger von Waterloo, in Portugal landete. Hier musste nun Napoleon selbst eingreifen…

Übrigens: Cary Grant hat mit Sophia Loren und Frank Sinatra diesen Ereignissen in „Stolz und Leidenschaft“ ein unvergessliches filmisches Denkmal gesetzt.

Doch was das alles mit der Schlacht von Aspern zu tun? Nun, in Österreich und Preußen beobachtete man das Desaster in Spanien mit großem Interesse. Die Franzosen waren in Spanien gebunden. Die Chance zum Volksaufstand war gegeben. Während in Preußen die Pläne zur Erhebung aufgedeckt wurden und den Freiherr von Stein um Amt und Würden brachten, setzte in Österreich Graf Stadion die Pläne zur Offensive um. Ein Appell des österreichischen Erzherzogs Karl zur Erhebung der Deutschen verhallte bis auf wenige Einzelaktionen in Norddeutschland ergebnislos. Der preußische Offizier Ferdinand von Schill etwa stand von Anfang an auf verlorenem Posten.

Am Ende ging Österreich deshalb, nur auf die Briten gestützt, in Bayern allein zum Angriff über. Der 5. Koalitionskrieg hatte begonnen.

Der Kriegsverlauf bis Aspern

Mit dem Wissen, dass Frankreichs Armee in Spanien gebunden war, nahm der Kommandeur der Österreicher, Erzherzog Karl, den Kampf auf. Von Böhmen aus wollte er die in Süddeutschland verstreuten Korps der Franzosen einzeln angehen und schlagen. Gleichzeitig sollte Erzherzog Johann in Italien vorrücken. Beides misslang. Johann wurde bis Ungarn zurückgetrieben und Karl von Napoleon, der wieder auf Schnelligkeit setzte, in einer Reihe von Kämpfen im Raum Regensburg geschlagen. Ein von Andreas Hofer geführter Aufstand in Tirol verlief, anders als Revolten in Norddeutschland, mit österreichischer Unterstützung zunächst erfolgreich. Mit einem Vorstoß Richtung Warschau sollte Erzherzog Ferdinand schließlich die mit Frankreich verbündeten Polen neutralisieren.

Napoleons Tempo vereitelte wieder einmal alle Pläne seiner Gegner. Er entriss Österreich, das ja alleine kämpfte, die Initiative. Karl bliebt keine andere Möglichkeit als sich Richtung Wien zurückzuziehen. Zu halbherzig waren die militärischen Reformen, zu langsam die Befehlsketten gewesen, um den Franzosen und ihrem Oberbefehlshaber wirklich die Stirn zu bieten.

Die Entscheidung aber fiel weder in Nord- noch Süddeutschland. Erzherzog Karl hatte seine Truppen bei Wien konzentriert und beorderte auch die anderen Truppenteile dorthin zurück. Ihm dicht auf den Fersen folgte Napoleon am Südufer der Donau. Die Österreichischen Kommandeure Hiller und Erzherzog Karl verzichteten auf die Verteidigung Wiens. Sie sammelten ihre Armeen vielmehr auf dem Marchfeld östlich der Donau. Diese Region war eine Ansammlung kleiner Dörfer, zu denen auch Aspern und Essling gehörten. Das Gelände war flach und ging erst weiter nordwestlich in hügeliges Terrain über. Das ist auch heute noch gut zu sehen. Hier nun sammelte Karl seine Armee. Mit Hillers Truppen und den Einheiten der Wiener Garnison konnte er immerhin rund 95000 Mann und 260 Kanonen zusammenbringen. Zerstörte Donaubrücken verhinderten eine rasche Verfolgung durch Napoleon.

Die Schlacht

Die Schlacht von Aspern-Essling wurde über zwei Tage, vom 21. Bis 22. Mai 1809, ausgetragen. Napoleon stand von Anfang an vor dem Problem, die Donau auf Pontonbrücken überqueren zu müssen. Das wog umso schwerer, als dass der Fluss Hochwasser führte. Lediglich das Gebiet der Donauinsel Lobau bot mit einigen Sandbänken die Möglichkeit zum Brückenschlag. Karl dachte gar nicht daran, die Franzosen auf der Wiener Donauseite anzugreifen. Er ließ die Franzosen stattdessen, ähnlich wie General Lee die Nordstaatler rund 60 Jahre später bei Fredericksburg, über die Pontons das andere Ufer erreichen, um dann die in begrenzter Zahl übergesetzten Truppenteile anzugreifen. Mit dem Rücken zum Fluss waren die Franzosen zudem taktisch klar im Nachteil. Soweit der Plan.

Tatsächlich stellten die Franzosen die Brücken bis 20. Mai fertig. Die Österreicher störten den Bau, indem Sie Baumstämme flussabwärts schickten. Nichtsdestotrotz setzte Napoleon bis 21. Mai 23 000 Mann über. Diese besetzten Aspern und Essling und postierten Kavallerie dazwischen.

Die zahlenmäßig überlegenen Österreicher sahen ihre Chance und griffen um 10:00 Uhr diese Truppenkörper frontal an. Wieder einmal machte die schlechte zeitliche Abstimmung des Angriffs den Österreichern einen Strich durch die Rechnung. Nur einen Teil von Aspern konnten sie einnehmen. Ansonsten hielten Massena in Aspern und Marshall Lannes in Essling die Stellung. Napoleon brachte bis zum Morgen des 22. Mai zudem weitere Verstärkungen heran. Diese eroberten auch die bescheidenen Geländegewinne der Österreicher in Aspern zurück. Damit nicht genug. Napoleon wollte nun seinerseits die Österreicher vernichtend schlagen. Es war Napoleons Freund, Marshall Lannes, der die Führung übernahm. Und bei diesem Angriff schwer verwundet wurde. Erzherzog Karl sammelte in dieser Schlussphase der Schlacht seine Truppen und wehrte den Angriff des Gegners unter beiderseitigen schweren Verlusten ab. Er verzichtete auf die Verfolgung des Gegners, der sich geordnet auf die Insel Lobau zurückzog.

Die Kämpfe hatten auf beiden Seiten Zehntausende Opfer mit sich gebracht. Es war der traumatisierte, tödlich verwundete, Marshall Lannes, der seinem Freund Napoleon ins Gesicht sagte, dass er diesem Krieg ein Ende machen solle.

Dieses Ende kam Wochen später im Juli. Bei Wagram, ebenfalls in der Umgebung von Wien, konnte Napoleon den Krieg von 1809 für sich entscheiden.

Um weitere Kriege mit Österreich zu verhindern, heiratete Napoleon die Tochter von Kaiser Franz, Marie Louise. Rund 15 Jahre nach dem Tod von Marie Antoinette auf dem Schafott, übernahm wieder eine Österreicherin Verantwortung für die royale Nachfolge in Paris…

Schlachtfeldarchäologie und Erinnerungskultur

Aspern gehört heute zur Stadt Wien. Bereits 1904 wurde das Dorf in die Stadt eingegliedert. Als erstes wurde auf dem alten Schlachtfeld ein Flugplatz gerichtet. Der Flugplatz war von 1912 bis 1977 in Betrieb. Später errichtete General Motors ein Werk, darüber hinaus entstand in der Region ein Wohnprojekt. Bei diesen Bauarbeiten wurden neben Funden aus der Bronzezeit auch immer wieder Massengräber aus der Schlacht von Aspern entdeckt. Eine systematische Untersuchung jedoch fand nie statt. Heute werden alle Baumaßnahmen der Stadt Wien von qualifizierten Archäologen überwacht. Ungefähr seit 2005 werden alle Skelette einer wissenschaftlichen Untersuchung übergeben.

Viele Gefallene der Schlacht wurden an Ort und Stelle begraben. Die Toten wurden hastig und in Unordnung beerdigt. In den Gräbern fanden sich kaum Gegenstände oder Uniformen. Das deutet darauf hin, dass die Leichen ausgeraubt wurden. Lediglich Uniformknöpfe ließen sich zuordnen. Massenhaft gefunden wurden nur Kugeln aus Blei oder Eisen. Aus den Knochenfunden geht hervor, dass viele Soldaten bereits zum Zeitpunkt ihres Todes an Krankheiten litten. Die Zahngesundheit war schlecht. Viele Soldaten waren zudem schlecht ernährt. Alle Skelette zeigten Zeichen großer körperlicher Anstrengung. Besonders die langen Märsche hinterließen ihre Spuren an Füßen und Gelenken.

Eine Begehung des Schlachtfeldes ist heute nicht mehr möglich. Gewerbegebiete, Häuser, Straßen und Parkplätze haben den Ort der Schlacht bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Nur ein kleiner Flecken in Aspern erinnert noch an den Kampf. Das ist der Löwe von Aspern (Bild, eigene Aufnahme). Das Denkmal befindet sich vor einer Kirche um die sich verschiedene Gedenksteine und ein Museum gruppieren.



Weitere Bauarbeiten in dieser Gegend werden über kurz oder lang die Erinnerung an diese Schlacht überlagern. Nur der Löwe und die Toten werden dann stumme Zeugen dieses Gemetzels sein.

Autor:

Stefan Slaby verkürzte Version eines Fachbeitrages aus 10/2020