Dienstag, 5. August 2025

Napoleons Revanche: Die Schlacht von Deutsch-Wagram 1809

2020 hatte ich das Schlachtfeld von Aspern-Essling bei Wien besucht. Es war Zufall, dass wir 5 Jahre später, am 6. Juli 2025 zum Jahrestag, auf dem Weg nach Ungarn an einem gewittrigen Tag erneut an der österreichischen Hauptstadt vorbeikamen. Von Wien aus ging es im Feierabendverkehr Richtung Nordosten. Auf den Autobahnschildern tauchte bereits der Ort einer weiteren prominenten Schlacht auf: Slavkov und Brna, kurz Austerlitz, in Südmähren. Doch das interessiert uns an diesem späten Sonntagnachmittag nicht. Gegen 16:30 erreichen wir den Ort der Schlacht – Deutsch-Wagram. Die Orientierung ist schwierig, anders als in Waterloo finden sich keine großen Hinweisschilder.

 


Nur kleinere Gedenkorte finden sich in Deutsch-Wagram (eigene Aufnahme)

Wie in Aspern-Essling ist der Besucher gezwungen, historische Karten der Schlacht zu nutzen, um sich ungefähr im gegenwärtigen Gelände zurechtzufinden. Dazu mehr am Schluss. Schauen wir uns zunächst an, was es mit dieser wirklich großräumigen Schlacht auf sich hat. 

Vorgeschichte

Die Schlacht von Deutsch-Wagram, die am 5. und 6. Juli 1809 stattfand, war eine der entscheidenden Auseinandersetzungen des Fünften Koalitionskrieges zwischen Napoleon Bonaparte und dem österreichischen Kaiserreich unter Erzherzog Karl. Der Krieg begann, als Österreich, unterstützt von Großbritannien, die Schwäche Frankreichs nach den Verlusten in Spanien ausnutzen wollte. Napoleon hatte zuvor die Kontrolle über weite Teile Europas erlangt, doch die österreichische Armee war entschlossen, die Vorherrschaft Frankreichs zu brechen.

Im April 1809 startete Österreich eine Offensive in Bayern, einem Verbündeten Napoleons. Nach anfänglichen Erfolgen der Österreicher, etwa in der Schlacht bei Aspern-Essling (Mai 1809), wo Napoleon erstmals eine klare Niederlage gegen Erzherzog Karl erlitt, sammelte Napoleon seine Kräfte für eine Gegenoffensive. Er verstärkte seine Grande Armée mit Truppen aus verschiedenen Teilen seines Reiches und bereitete sich auf eine Entscheidungsschlacht vor. Das Schlachtfeld bei Deutsch-Wagram, nordöstlich von Wien, wurde aufgrund seiner strategischen Lage ausgewählt: Es lag nahe der Donau und bot Raum für große Truppenbewegungen.

Ablauf der Schlacht

Erster Tag (5. Juli 1809)

Die Schlacht begann am Nachmittag des 5. Juli, als Napoleon versuchte, die österreichischen Linien bei Deutsch-Wagram zu durchbrechen. Die französische Armee, bestehend aus etwa 150.000 Mann, war gut organisiert, litt jedoch unter der Erschöpfung durch vorherige Kämpfe und die schwierige Überquerung der Donau. Napoleon setzte das IV. Korps unter Marschall Masséna und das III. Korps unter Marschall Davout ein, um die österreichischen Stellungen anzugreifen.

Erzherzog Karl, der rund 135.000 Mann befehligte, hatte seine Truppen in einer starken Verteidigungsposition entlang des Russbach-Flusses aufgestellt. Die österreichischen Korps, insbesondere das I. Korps unter General Bellegarde und das VI. Korps unter General Klenau, wehrten die ersten französischen Angriffe erfolgreich ab. Am Abend des 5. Juli zogen sich die Franzosen zurück, da die Angriffe unkoordiniert waren und die österreichische Artillerie verheerende Wirkung zeigte.

Zweiter Tag (6. Juli 1809)

Am Morgen des 6. Juli startete Napoleon einen erneuten Angriff mit besserer Koordination. Er konzentrierte seine Kräfte auf die Schwächung der österreichischen Flügel. Marschall Davout führte einen entscheidenden Angriff auf den linken österreichischen Flügel, während Masséna den rechten Flügel unter Druck setzte. Ein Schlüsselmoment war der Einsatz der französischen Artillerie, die mit über 400 Kanonen eine der größten Artillerieformationen der napoleonischen Kriege bildete. Diese "Große Batterie" zermürbte die österreichischen Linien.

Gegen Mittag gelang es den Franzosen, die österreichischen Stellungen bei Markgrafneusiedl zu durchbrechen. Erzherzog Karl versuchte, die Situation mit einem Gegenangriff zu stabilisieren, doch die französische Übermacht und die Erschöpfung seiner Truppen führten zu einem Rückzug. Am Abend des 6. Juli war die Schlacht entschieden, und die österreichische Armee zog sich in Richtung Mähren zurück.

Welchen Stellenwert die Schlacht in der Geschichte hat, zeigt ein Blick auf die beteiligten Kommandeure und Einheiten. Alles, was in den napoleonischen Kriegen Rang und Namen hatte, war zugegen.

Französische Seite

Oberbefehlshaber: Kaiser Napoleon I.

Wichtige Kommandeure:

o Marschall André Masséna (IV. Korps)

o Marschall Louis-Nicolas Davout (III. Korps)

o Marschall Jean-Baptiste Bernadotte (IX. Korps, sächsische Truppen)

o General Étienne Macdonald (Armee von Italien)

Einheiten:

o Grande Armée, bestehend aus französischen, italienischen, bayerischen, württembergischen und sächsischen Truppen.

o Starke Kavallerie unter General Nansouty und Artillerie unter General Lauriston.

Stärke: Ca. 150.000 Mann, 400–450 Kanonen.

Österreichische Seite

Oberbefehlshaber: Erzherzog Karl von Österreich-Teschen.

Wichtige Kommandeure:

o General Johann von Bellegarde (I. Korps)

o General Johann Kollowrat (II. Korps)

o General Johann von Klenau (VI. Korps)

o Fürst Johann von Liechtenstein (Kavallerie-Reserve)

Einheiten:

o Österreichische Hauptarmee, unterstützt von Landwehr und ungarischen Insurrektionstruppen.

o Starke Infanterie und Artillerie, jedoch schwächere Kavallerie im Vergleich zu den Franzosen.

Stärke: Ca. 135.000 Mann, 400 Kanonen.

Folgen

Die Schlacht von Deutsch-Wagram war ein strategischer Sieg für Napoleon, obwohl sie keine völlige Vernichtung der österreichischen Armee bedeutete. Die Verluste waren auf beiden Seiten enorm: Die Franzosen verloren etwa 32.000 Mann (Tote, Verwundete, Vermisste), die Österreicher etwa 40.000 Mann. Der Sieg festigte Napoleons Position in Mitteleuropa, führte jedoch zu einer Erschöpfung seiner Ressourcen.

Am 12. Juli 1809 wurde der Waffenstillstand von Znaim geschlossen, gefolgt vom Frieden von Schönbrunn am 14. Oktober 1809. Österreich musste Gebietsverluste hinnehmen, darunter Teile Kroatiens, Kärntens und Galiziens, und trat dem Kontinentalsystem Napoleons bei. Für Napoleon war der Sieg ein Pyrrhussieg, da die hohen Verluste und die wachsende Unzufriedenheit in Europa den Anfang vom Ende seiner Herrschaft markierten.

Zudem gab es einige bemerkenswerte Besonderheiten in Wagram:

Artillerie: Die Schlacht war durch den massiven Einsatz von Artillerie geprägt. Napoleons "Große Batterie" war ein taktisches Meisterwerk, das die österreichischen Linien zermürbte.

Wetter: Die Schlacht fand unter schwierigen Bedingungen statt, mit Hitze und Staub, die die Truppen beider Seiten belasteten.

Fehler Napoleons: Am ersten Tag waren die französischen Angriffe schlecht koordiniert, was Erzherzog Karl einen Vorteil verschaffte.

Sächsische Truppen: Das sächsische Korps unter Bernadotte zeigte Schwächen, was zu Spannungen zwischen Napoleon und seinem Marschall führte.

Heutiger Zustand des Schlachtfeldes und Erinnerungskultur

Das Schlachtfeld von Deutsch-Wagram liegt heute größtenteils in landwirtschaftlich genutzten Gebieten und ist teilweise überbaut. Die Stadt Deutsch-Wagram selbst bewahrt die Erinnerung an die Schlacht durch das Napoleon-Museum im Schloss Deutsch-Wagram, das Exponate wie Uniformen, Waffen und Karten ausstellt. Einige historische Gebäude, wie das Schloss, sind erhalten geblieben und dienen als kulturelle Stätten.

Auf dem Schlachtfeld gibt es mehrere Gedenksteine und Tafeln, die an die Kämpfe erinnern, etwa in Markgrafneusiedl und entlang des Russbachs.

 



Gedenkort in Aderklaa (eigene Aufnahme)

Jährlich finden in der Region Nachstellungen und Gedenkveranstaltungen statt, die von Geschichtsvereinen organisiert werden. Die Erinnerungskultur ist besonders in Österreich stark ausgeprägt, da die Schlacht als ein Moment gesehen wird, in dem Erzherzog Karl trotz der Niederlage seine militärische Kompetenz bewies.

In Frankreich wird die Schlacht weniger prominent gefeiert, da sie im Schatten größerer Siege wie Austerlitz steht. Dennoch ist sie in der napoleonischen Geschichtsschreibung als eine der größten Schlachten seiner Ära anerkannt. Wagram verdient einen höheren Stellenwert bei der Erinnerung an die Napoleonischen Kriege. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.